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Corona-Krise: Bundestag beschließt Hilfspaket für Mieter und Vermieter

Sven Lechner • 29. März 2020

Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht verabschiedet. Das Hilfspaket sieht für gewerbliche und private Vermieter sowie Mieter wesentliche Neuregelungen vor.

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Im Mietrecht wird eine zeitlich befristete Kündigungsbeschränkung wegen Zahlungsverzugs eingeführt

personeller Anwendungsbereich:
Wohnraum- und Gewerbemieter, Pächter

zeitlicher Anwendungsbereich:
Mietrückstände, die zwischen dem 01.04.2020 und 30.06.2020 entstehen
Glaubhaftmachung der Kausalität zwischen COVID-19 und Nichtleistung
Vereinbarungen zum Nachteil des Mieters sind nicht möglich
Verordnungsermächtigung zur eventuellen Verlängerung der Kündigungsbeschränkung um weitere drei Monate bis 30.09.2020.

Nach Art.  240 § 1 Absatz 1 und 2 erhalten Verbraucher bei Dauerschuldverhältnisseen ein Leistungsverweigerungsrecht. Die Regelung gilt im Mietrecht nicht. Mieter bleiben also weiterhin zur Zahlung verpflichtet und können auch in Verzug geraten. Das Forderungsmanagement zur Verfolgung und Durchsetzung von Zahlungsansprüchen (außergerichtliches Mahnwesen, gerichtlichen Mahnverfahren mit Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid, Zwangsvollstreckung, Verzugszinsen…) kann beibehalten bleiben. Stattdessen sieht das Gesetz nur eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit des Vermieters vor.

§ 2 (1) Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.
Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.
(2) Von Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Mieters abgewichen werden.
(3) Die Absätze 1 und 2 sind auf Pachtverhältnisse entsprechend anzuwenden.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind nur bis zum 30. Juni 2022 anzuwenden.  


Gesetzliches Ziel:

Mit der Neuregelung sollen Mieter vor dem Verlust der Wohn- bzw. Gewerberäume geschützt werden.
 

Leistungsverweigerungsrecht

Mieter erhalten kein Leistungsverweigerungsrecht. Das Leistungsverweigerungsrecht in Art. 240 § 1 betrifft lediglich Dauerschuldverhältnisse, deren Leistungen zur Daseinsvorsorge erforderlich sind. Hierzu zählen Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom und Gas oder über Telekommunikationsdienste und ggf. zivilrechtliche Verträge über die Wasserver- und -entsorgung.  Für Miet- und Pachtverträge gilt das Leistungsverweigerungsrecht ausdrücklich nicht (Art. 240 § 1 Abs. 4 Nr. 1.).
 
Ob Mieter von Gewerberäumen das Recht haben, die Miete gemäß § 313 BGB zu mindern oder den Mietvertrag sogar zu kündigen, wenn sie gesetzlich verpflichtet sind, ihr Geschäft zu schließen, ist bisher noch nicht geklärt.
 

Anwendungsbereich:

Die Regelung zur Kündigungsbeschränkung ist nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 4 zu Art. 240 EGBGB nur bis zum 30. Juni 2022 anwendbar. Wegen Zahlungsrückständen, die vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 eingetreten und bis zum 30. Juni 2022 nicht ausgeglichen sind, kann nach diesem Tag wieder gekündigt werden.
 
Es ist jedoch weiterhin zulässig, den Mieter wegen der Zahlungsrückstände für diesen Zeitraum auf Zahlung zu verklagen, um einen vollstreckbaren Titel zu erhalten. Mahnbescheide und Vollstreckungsescheide sind weiterhin zulässig. Zu empfehlen ist sicherlich eine Stundungsvereinbarung mit einem individuellen Ratezahlungsplan.


Kausalität zwischen Corona und Nichtleistung der Miete

Leistet ein Mieter die im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 fällige Miete ganz oder teilweise nicht, so darf der Vermieter das Mietverhältnis wegen dieser Rückstände nicht kündigen, wenn diese auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Die Kündigung ist also nur in den Fällen ausgeschlossen, in denen die Nichtleistung des Mieters durch die COVID-19-Pandemie verursacht ist. Beruht die Nichtleistung des Mieters auf anderen Gründen, zum Beispiel, weil er zahlungsunwillig ist, ist die Kündigung weiterhin möglich. Auch Kündigungen aus anderen Gründen, zum Beispiel wegen mietvertragswidrigen Verhaltens (Lärm, Tätlichkeiten, Vandalismus…) sind nicht ausgeschlossen.


Glaubhaftmachung durch den Mieter

Auch in Zeiten des Corona Virus wird nicht automatisch vermutet, dass Mietrückstände auf COVID-19 zurückzuführen sind. Dem Mieter obliegt es daher, den Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung der Miete glaubhaft zu machen. Will er eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs ausschließen, muss er Tatsachen darlegen, aus denen sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass seine Nichtleistung auf der COVID-19-Pandemie beruht. Zur Glaubhaftmachung kann sich der Mieter z. B. einer Versicherung an Eides Statt oder anderer geeigneter Mittel bedienen. Geeignete Mittel können insbesondere der Nachweis der Antragstellung beziehungsweise die Bescheinigung über die Gewährung staatlicher Leistungen, Bescheinigungen des Arbeitsgebers oder andere Nachweise über den Verdienstausfall sein.

 
Besonderheiten im Gewerbemietrecht

Mieter von Gewerbeimmobilien können darüber hinaus den Zusammenhang zwischen COVID- 19-Pandemie und der Nichtleistung mit Hinweis darauf glaubhaft machen, dass der Betrieb ihres Unternehmens im Rahmen der Bekämpfung des SARSCoV-2-Virus durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt oder erheblich eingeschränkt worden ist. Dies betrifft derzeit vor allem Gaststätten oder Hotels, deren Betrieb zumindest für touristische Zwecke in vielen Bundesländern untersagt ist. Andere Gewerbebetriebe, deren Betrieb nicht öffentlich-rechtlich eingeschränkt wurde, sollten glaubhaft machen, dass sie sich um staatliche Hilfen bemüht haben und dennoch kündigungsrelevante Rückstände zwischen April und Juni 2020 nicht verhindern können. Nur dann greift für diese Gewerbemieter die gesetzliche Kündigungsbeschränkung ein.
 
Viele Vermieter verhalten sich bereits jetzt partnerschaftlich und suchen nach wirtschaftlich interessengerechten Lösungen, um die schwierige Zeit gemeinsam mit ihren Mietern zu überstehen. Da das Ende der Pandemie derzeit nicht absehbar ist, sollten Mietnachlässe oder Zahlungsaufschübe zeitlich befristet, also z.B. monatsweise, vereinbart und laufend der aktuellen Lage angepasst werden. Der Gesprächsfaden darf nicht abreißen. Wichtig ist, dass Mieter die durch den Vermieter individuell eingeräumte Atempause für Mietzahlungen nutzen, um insbesondere staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen.  

 
Wohnraummietrecht

Bei Wohnraummietverhältnissen besteht das Risiko, dass Mieter versuchen könnten, eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs unter Berufung auf Art. 240 § 2 EGBGB zu verhindern, obwohl die Rückstände tatsächlich nicht auf „Corona“ beruhen. Aufgrund der Berichterstattung in den Medien könnten Mieter den Eindruck haben, sie müssten für die Zeit von April bis Juni 2020 keine Miete zahlen. Um derartigen Missverständnissen zu vermeiden, sollte der Vermieter seine Mieter eigenständig über die Gesetzeslage informieren.

Vermieter sollten klarstellen, dass der Mieter unabhängig von Corona zur Mietzahlung verpflichtet bleibt. Soweit Corona und darauf beruhende öffentlich-rechtliche Anordnungen zu Verdienstausfällen des Wohnraummieters führen, unterfällt dies der Risikosphäre des Mieters. Die gesetzliche Kündigungsbeschränkung verhindert Lediglich, dass er auf Grund von Mietrückständen für die Zeit von April bis Juni 2020 gekündigt werden kann.

Der Mieter ist zunächst gehalten, Wohngeld oder andere sozialrechtliche Ansprüche geltend zu machen, um die finanzielle Lücke infolge von Corona zu schließen. Erst wenn diese (glaubhaft gemachten) Bemühungen nicht verhindern können, dass ein kündigungsrelevanter Mietrückstand entsteht (zwei Monatsmieten oder mehr als eine Monatsmiete für zwei aufeinanderfolgende Termine), kann sich der Mieter auf den neuen   Kündigungsschutz berufen.
Gesprächsangebote an die Mieter (z. B. per telefonischer Hotline) erleichtern es hierbei, mit den von Zahlungsschwierigkeiten bedrohten Mietern frühzeitig individuelle Lösungen zu vereinbaren.

 
Hinweise zum Wohnungseigentumsrecht

Art.2
„Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“


§ 6 Wohnungseigentümergemeinschaften

(1) Der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes bleibt bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt.
(2) Der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.


Erläuterung zu § 6 Abs. 2:

Bereits jetzt ist es vielfach üblich, den Beschluss über einen konkreten Wirtschaftsplan mit dem zusätzlichen Beschluss zu verbinden, dass dieser Wirtschaftsplan bis zum Beschluss über einen neuen Wirtschaftsplan weiterhin Geltung haben soll. Durch einen solchen Beschluss wird gewährleistet, dass auch wenn der Beschluss über den nächsten Wirtschaftsplan erst im Laufe des Folgejahres gefasst werden sollte, für die bis dahin abgelaufenen Monate eine Zahlungspflicht jedes einzelnen Wohnungseigentümers besteht. Zeitliche Verzögerungen für die Durchführung der Eigentümerversammlungen im Folgejahr sind dann insoweit nicht relevant.

Soweit ein solcher Beschluss im Vorjahr nicht gefasst worden ist, stellt die neue gesetzliche Regelung nunmehr klar, dass der alte Wirtschaftsplan seine Gültigkeit behält, bis ein Beschluss zum neuen Wirtschaftsplan gefasst ist. Das schafft Planungssicherheit für die WEG.  
 

Stundung der Steuer

Für das Steuerrecht enthält das Gesetz keine Regelungen. Insofern gelten das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 19. März 2020 zur Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer sowie ein entsprechendes Schreiben der Bundesländer zur Gewerbesteuer. Danach kann ein Unternehmer, der entsprechende Einnahmeausfälle hat, einen Antrag auf Stundung der Steuer stellen.
Quelle: IVD-Bundesverband
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